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Henryk Sienkiewicz
Quo Vadis?
Morden und Metzeln in Rom!
An dieser Stelle sollte eigentlich das Cover des beschriebenen Buches abgebildet werden. Leider lässt dies unser deutsches Urheberrecht nicht zu. Daher müsst Ihr leider mit einem Symbolbild Vorlieb nehmen.

Wer sich etwas mit Hollywood-Filmen zu historischen Themen befasst hat, dem dürfte Peter Ustinovs Darstellung des römischen Kaisers Nero in unvergessener Erinnerung sein. Dekadent bis zur Schmerzgrenze und grausam nur zum Vergnügen wurde die Figur von diesem genialen Schauspieler geprägt.

Die Verfilmung jedoch hat nur entfernt etwas mit dem zu Grunde liegenden Buch von Henryk Sienkiewicz zu tun. Eine heutige Neuinszenierung würde, wenn sie sich strickt an die Vorlage hielte, wohl kaum unter 18 Jahren freigegeben werden können. Doch dazu gleich mehr…

Der Autor

Henryk Sienkiewiecz wurde 1846 in Polen geboren und arbeitete nach einem Jura-, Philologie- und Medizin-Studium als Journalist. Neben zahlreichen Erzählungen verfasste er zwischen 1884 und 1888 die Trilogie „Aus Polens alter Zeit“ und 1896 den Welterfolg „Quo vadis?“. Hierfür erhielt er 1905 den Nobelpreis für Literatur. Sienkiewiecz starb 1916 in der Schweiz.

Die Handlung

Das römische Reich wird beherrscht vom grausamen und selbstherrlichen Kaiser Nero. In seinem Dunstkreis tummeln sich zahlreiche Senatoren und Günstlinge, die alles tun würden um seine Gunst zu behalten oder zu erlangen. Nero selbst hält sich für einen begnadeten Sänger und Dichter, was er sich auch ständig von seinen Getreuen bestätigen lässt. Zum Hofstaat des Kaisers gehört auch der junge Tribun Marcus Vinicius. Gerade von einem Feldzug zurückgekehrt, stellt ihm sein Onkel Petronius eine befreundete Familie vor, bei der er die lyrische Prinzessin Lyra kennen- und liebenlernt. Da auch Nero ein Auge auf die junge Frau geworfen hat und sie gar in seinen Harem beruft, muss Vinicius etliche Tricks anwenden um mit ihr zusammen zu kommen. Dabei steht ihm sein Onkel, der zu Neros engsten Vertrauten gehört, hilfreich zur Seite.

Zur gleichen Zeit entwickelt sich in Rom eine junge Pflanze namens Christentum. Eine immer größer werdende Gruppe von Menschen predigt den Frieden und lauscht den Erzählungen eines alten Mannes, der sich Petrus nennt. Einige der Nero-Vertrauten wittern in dieser Gruppe eine Gefahr und Nero ordnete auf deren Beratung hin an, dass alle Christen zu verfolgen seien. Während eines furiosen Festes, das er zur Beschwichtigung des römischen Volkes abhält – er hat immerhin kurz zuvor Rom anzünden lassen, was er allerdings den Christen in die Schuhe schiebt – sollen die Christen in der Arena geopfert werden.

In dieser gefährlichen Situation finden Vinicius und Lyra über zahlreiche Umwege doch zueinander. Da Lyra allerdings Christin ist, wird sie ebenso eingesperrt, wie alle anderen. In seiner Liebe zu ihr und überzeugt von den Lehren, die Petrus predigt, bekennt auch Vinicius sich zum Christentum und lässt sich heimlich taufen.

Es kommt zu einem ungleichen Machtkampf zwischen Nero und dem friedlichen Widerstand der Christen bei dem am Ende Rom in Schutt und Asche liegt.

Vielschichtige Geschichtslektion mit Hürden

Zunächst einmal musste ich feststellen, dass es sich bei dem 320 Seiten starken Buch keineswegs um leichte Kost handelt. Sehr „biblisch“ geschrieben und mit recht gestelzten Formulierungen, musste ich mich doch erst einmal einige Seiten einlesen um sozusagen „in Fluss zu kommen“. Außerdem machten mir Anfangs die römischen Namen etwas zu schaffen. Es war doch recht schwierig, die einzelnen Personen auseinander zu halten. Als diese beiden Hürden dann aber genommen waren, las sich das Buch recht flüssig und vor allem äußerst spannend.

Es werden eigentlich drei Geschichten parallel erzählt, die durch ihre Charaktere eng miteinander verwoben sind. Da ist zum einen die Geschichte des aufkeimenden Christentums, das unglaublich viel erleiden muss und dennoch am Ende als Siegers aus dem ungleichen Kampf hervorgeht. Parallel werden die letzten Wochen der Herrschaft Neros beschrieben. Als grausamer Despot verlässt er sich stets auf die Beurteilung seiner „Kriecher“, deren eigentliches Interesse lediglich darin liegt, ihren Status zu behalten. Und es wird die Liebesgeschichte zwischen Vinicius und Lyra erzählt, einer Liebe, die sich erst langsam entwickelt, viel zu erleiden hat und oft auf die Probe gestellt wird.

Wenn man noch tiefer in die Analyse einsteigt, findet man schnell noch weitere Ebenen, die parallel ablaufen, wenn auch nur am Rande. So hat auch Petronius in diesem Buch seine eigene Geschichte, die man gebannt verfolgt.

Das Buch beginnt eigentlich recht harmlos. Es werden Alltäglichkeiten aus dem Leben von Vinicius beschrieben und die ersten Kontakte zum Christentum ergeben sich. Was zunächst als kleine, unbedeutende Gruppe erscheint, erschließt sich den jungen Tribun mehr und mehr als mächtige, aber gewaltlose, Bewegung. Überzeugend wird die Entwicklung des jungen Mannes vom „echten“ Römer zum bekennenden Christen wiedergegeben. Dabei spielt nicht nur seine Liebe zu Lyra eine Rolle, sondern ihn begeistert auch die Einstellung dieser Menschen. Frieden um jeden Preis. Gewaltlosigkeit, auch wenn man selbst Gewalt erfährt. Erfahrungen, wie sie sich eigentlich mit dem anerzogenen Kriegerdenken eines Tribuns nicht vereinbaren lassen.

Symbol Thema History

Im Verlauf der Handlung spitzt sich das Geschehen mehr und mehr zu. Angestachelt von seinem Berater Tigellinus beginnt Nero eine Hetzjagd auf die Christen, die an Grausamkeit nicht mehr zu überbieten ist. Überall spiegelt sich der Wahnsinn des Herrschers wider. Nur weil er noch keine brennende Stadt gesehen hat, war er nicht in der Lage, diese entsprechend in seinen Liedern zu beschreiben. Was liegt daher für einen Herrscher näher, als eine Stadt niederzubrennen. Der Brand von Rom ist allerdings gleichzeitig des Todesurteil für Nero selbst. Das römische Volk nimmt ihn diese Tat übel und lässt sich mit „Brot und Spielen“ nur eine Zeitlang ruhig stellen.

Das letzte Drittel des Buches besteht zu einem großen Teil nur noch aus den Grausamkeiten, die sich Nero und seine Berater für die Christen ausdenken. Über viele Seiten hinweg werden bis ins Detail die blutigen Arenaspiele beschrieben. Da fliegen Köpfe, werden Menschen bei lebendigem Leibe von Bären und Löwen zerfleischt oder als lebende Fackeln auf einem rauschenden Fest angezündet. Der Detailreichtum, den Sienkiewicz in seine Beschreibungen legt, lässt dem Leser kaum eine Chance auf eigene Fantasien. Im Kopf machen sich die schrecklichsten Bilder breit und man tut sich schwer, weiter zu lesen. Dennoch…immer wieder flammt zwischen dem Morden und Metzeln ein Hoffnungsschimmer auf. Wie ein roter Faden zieht sich der christliche Glaube durch die blutige Handlung. Ob es die singenden Christen am Kreuz sind oder der zufrieden lächelnde alte Mann, kurz bevor er von den Flammen eines Scheiterhaufens erfasst wird, immer spürt man, dass das Ende des Tunnels noch nicht erreicht ist.

So kommt am Schluss auch das dekadente römische Volk darauf, dass diese zufrieden vor sich hin sterbenden Menschen gar nicht die Monster sein können, als die sie Nero und seine Getreuen hinstellen und begehrt auf. Auch Neros Lüge, die Christen hätten Rom angezündet, wird am Ende als solche enttarnt und es kommt zum Volksaufstand gegen den Herrscher.

Abschließend möchte ich noch auf eine interessante Randfigur eingehen, die von Sienkiewicz geschickt als Mittler zwischen Christen und Römern fungiert. Petronius ist für mich die glaubwürdigste Figur des Buches. Als engster Berater Neros ist er es, der in zahlreichen Situationen die Geschicke Roms bestimmt, doch kommt er gegen den Wahnsinn Neros und die Grausamkeit seines Widersachers Tigellinus nicht an. So ist ihm bald bewusst, dass er mit dem Feuer spielt, doch gesteht er sich selbst ein, dass er zu sehr seinem Status verhaftet ist, als dass er sich dem Christentum noch zuwenden könnte. Er manövriert sich mehr und mehr in eine ausweglose Situation und verschafft sich am Ende einen hervorragend inszenierten und Nero bloßstellenden Abgang. Für mich eine der sympathischsten Figuren des Buches.

Fazit

„Quo vadis?“ ist ein anstrengendes, grausames aber auch überaus interessantes Buch über das Christentum in seinen Anfängen. Die Charaktere werden geschickt entwickelt und man sieht Wahnsinn und Menschlichkeit sich gegenüberstehen. Die Botschaft die Autors ist eindeutig: Mit Krieg richtet man sich letztendlich nur selbst zugrunde. Möglicherweise wird diese Botschaft durch die übertriebene Grausamkeit etwas sehr plakativ dargestellt, doch so ist halt auch der Krieg – grausam und das genaue Gegenteil von Frieden. So steht in diesem Buch Nero als Symbol für den Krieg, der „bekämpft“ wird von den Christen, dem versinnbildlichten Frieden. David gegen Goliath!

Für wen ist dieses Buch geeignet? Empfehlen kann ich das Werk all denen, die sich mal weit ab vom Mainstream mit Literatur befassen wollen. Ein gutes Verständnis der deutschen Sprache sollte allerdings vorhanden sein, ansonsten könnte der ziemlich gestelzte Schreibstil, der fast an den Stil der Bibel erinnert, schnell ermüdend wirken. „Quo vadis?“ ist keine leichte Kost, daher Finger weg für alle diejenigen, die entsprechendes vorziehen. Mir hat das Buch recht gut gefallen, vor allem weil es in der Lage war, mich zu erschrecken und nachdenklich zu machen.

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