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Das war's dann mit Twitter
Mastodon, das bessere Twitter

Ich glaube, es ist fast 15 Jahre her, dass ich beschloss, mich intensiver mit den sozialen Netzwerken zu befassen. In meiner frisch angetretenen Funktion als neuer Marketingleiter eines IT-Unternehmens, das bisher nicht auf den Social-Media-Zug aufgesprungen war, hielt ich es für fatal, hier keine Präsenz zu zeigen. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich mit dem Thema zwar viel aus Datenschutzsicht befasst, selbst aber nie eigene Accounts angelegt – und das machte mir diesen Schritt zunächst recht schwer. Denn ich hatte stets vor Augen, dass der Preis für die Nutzung der Plattformen nun mal die Herausgabe von Daten bedeutet. Doch das Ziel für das Unternehmen war ausgegeben und so musste ich mich damit nun auch intensiver befassen. Um überhaupt erst einmal die Mechanismen, Gesetzmäßigkeiten und Möglichkeiten kennenzulernen, legte ich private Accounts bei Google+, Facebook und Twitter an. Es dauerte nicht lange und ich entwickelte eine besondere Vorliebe für die Kommunikation per Twitter.

Schon nach kurzer Zeit wurde ich zu einer Art Twitter-Junkie und kommunizierte auf der Plattform mit vielen unbekannten, aber auch bekannten Menschen (vorwiegend Politiker) auf der ganzen Welt. Es verging kein Tag, an dem ich nicht in die Welt der Tweets eintauchte. Und einige Tausend gezwitscherte Posts sollten es dann auch werden, bevor schließlich die AfD auf der Bildfläche erschien. Damit wurde der Ton im sonst eher gemäßigten Twitter-Netz rauer. Ich werde mich hier nicht weiter darüber auslassen, welch unsägliche „Diskussionen“ ich mit diesen Herrschaften erleben durfte, doch die negative Entwicklung hatte Folgen. 2015 verordnete ich mir eine radikale Abstinenz, die ich mehrere Jahre weitgehend einhielt. Hin und wieder las ich mal ein wenig und ganz selten gab ich auch gelegentlich einen Kommentar ab, doch mein Twitter-Leben war quasi auf Null heruntergefahren – und das trotz zwei Accounts (Privat und als Autor).

Irgendwann kam dann Elon!

Im November 2022 kaufte der Multimilliardär Elon Musk für 44 Milliarden Dollar die Mehrheit der Twitter-Anteile und erhob sich damit zum Alleinherrscher des Unternehmens. Da Musk in der Vergangenheit immer mal wieder wegen zweifelhafter Tweets mit der Plattform in Konflikt geraten war, nahm er sich daraufhin zunächst die Regeln vor. Seiner Meinung nach schränkten sie die Redefreiheit ein und behinderten den freien Austausch. Zusätzlich begann er, weitere gravierende Änderungen vorzunehmen, allen voran den Verkauf des bisher nur zertifizierten Mitgliedern vorbehaltenen blauen Markers. Nun konnte jeder, der bereit war, 8 $ monatlich zu bezahlen, diese Kennzeichnung kaufen. Damit entstanden derart viele Fake-Accounts, dass Musk den Verkauf schon kurze Zeit später wieder stoppte. Doch diese und eine Reihe weitere Änderungen förderten nach Meinung von Kennern der Szene die Ausbreitung der allgegenwärtigen Hasskommentare und den groben Umgangston.

Genau dies war aber 2015 für mich der Grund, auszusteigen. Der Beginn der Ära Musk bestärkte mich nun in meiner Ansicht, dass Twitter für mich tot ist. Ich kehrte der Plattform den Rücken und löschte Anfang November 2022 kurzerhand sämtliche Accounts mit all ihren ca. 6.000 Tweets.

Nun hat mir aber das Konzept grundsätzlich gefallen. Also erinnerte ich mich daran, bereits vor einer Weile die Open-Source-Plattform Mastodon eher oberflächlich angeschaut zu haben. Damals fehlte mir die Zeit, und die Anmeldeprozedur erschien mir, Twitter-verdorben, wie ich war, zu kompliziert. Nun schaute ich hingegen genauer hin und was ich entdeckte, entsprach ein wenig dem Twitter vergangener Zeiten.

Das sogenannte Fediverse (Federated Universe = Föderiertes Universum), dem Mastodon angehört, ist dezentral organisiert. Es gibt nicht einen großen Betreiber, sondern es kann im Prinzip jeder einen Mastodon-Server, eine sogenannte Instanz, aufsetzen und ins Netzwerk einbinden. So ist es nicht möglich, Mastodon mal eben zu kaufen. Stattdessen gibt es eine Vielzahl von Instanzen mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten.

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Foto basierend auf: Markus Spiske

Und alle sind untereinander verbunden, d.h. wenn man sich auf einer Instanz angemeldet hat, bedeutet das nicht, dass man jetzt nur in dieser Blase unterwegs sein muss. Die Kommunikation kann über alle Server hinweg erfolgen. Das macht es damit dem Neuling etwas schwerer, denn er muss sich zunächst überlegen, auf welchem Themen-Server er sich Zuhause fühlen würde. Ist diese Entscheidung erst einmal getroffen, geht alles andere, wie gewohnt.

Ein wichtiger Aspekt des Fediverse ist die Tatsache, dass das Netzwerk nicht kommerziell ist, denn es gehört niemandem. Die Software ist frei und wird von versierten Programmierern einer Community unter Open-Source-Lizenz entwickelt – finanziert durch Spenden. Niemand kann und wird mit dem Fediverse Geld verdienen. Das bedeutet auch, dass die Benutzerdaten nicht verkauft werden, zumal es keine zentrale Stelle für alle Daten gibt (wie bei Twitter), sondern jede Instanz diese selbständig verwaltet.

Eigentlich hatte ich geplant, hier eine ausführliche Beschreibung folgen zu lassen. Doch hierzu verweise ich lieber auf ein umfangreiches Howto von Sascha Pallenberg (@pallenberg@mastodon.social). Der macht das schon viel länger, als ich, und kann evtl. aufkommende Fragen auch kompetent beantworten.

Mein Weg zum „Twitter-Nachfolger“ Mastodon war bisher noch recht kurz, aber ich werde bei Gelegenheit weiter berichten, wie sich die Plattform und die Kommunikation weiter entwickelt. Bisher habe ich den Wechsel definitiv nicht bereut. Auch wenn ich längst nicht mehr die Aktivität an den Tag lege, wie vor Jahren in meinen ersten Twitter-Monaten – dafür wirkt der Hater-Schock von damals immer noch nach – bin ich doch wieder mehr oder weniger rege als Schreiber und Leser in der Timeline unterwegs.

Wenn Euch Twitter gefallen habt, empfehle ich Euch, Mastodon eine Chance zu geben. Ich glaube, Ihr werdet Euren Spaß daran haben.

Übrigens: Anmelden könnt Ihr Euch auf der Webseite: joinmastodon.org/de. Dort findet Ihr auch noch einige zusammenfassende Informationen sowie Links zu wichtigen Instanzen.

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