Scroll Top
Angefangen hat es mit Snippets - eine Utopie?
Wenn es so weitergeht... - ein Gedankenspiel

Die Macht der Zeitungsverlage in Deutschland ist unbestritten. Mit unermüdlicher und kostenintensiver Lobbyarbeit versuchen die Verleger, allen voran das Axel-Springer-Imperium, politische Entscheidungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Wenn es dem eigenen Geldbeutel dient, bleibt dabei auch gerne mal die Wahrheit auf der Strecke, wie es der Medienjournalist Stefan Niggemeier in seinem Blog sehr anschaulich beschreibt.

In einem nie dagewesenen Kraftakt und gegen die ebenso massive Kritik vieler vernunftbegabter Menschen haben die Lobbyisten der Verlagswelt es im März 2013 geschafft, die schwarz-gelbe Regierung zu einem Gesetz zu drängen, das an Sinnlosigkeit kaum zu überbieten ist – dem Leistungsschutzrecht. Ohnehin schon durch das Urheberrecht geschützte Texte sollen zusätzlich durch ein Gesetz vor einer unrechtmäßigen Weitervermarktung geschützt werden. Schwammig und unscharf formuliert und somit das Urheberrecht selbst aufweichend, hilft es weder den Verlagen (im Gegenteil, sie werden schon alleine wegen ihrer eigennützig-subjektive Berichterstattung zu diesem Thema eine ganze Menge Kunden verlieren) noch der Politik, die sich eigentlich mit Gesetzten klare Regeln schaffen soll. Satt dessen scharren Abmahnanwälte nun schon mit den Füßen und haben damit begonnen Google mit dem Suchbegriff “Blog” zu füttern. In Excel-Listen werden schon fleißig Adressen von jeder Webseite gesammelt, die auch nur den Hauch von Nachrichtenwert hat, damit man sie schnell und unkompliziert mit horrenden Abmahnungen bedenken kann – dem deutschen Abmahnrecht sei Dank.

Doch um diesen Missstand soll es hier gar nicht gehen. Mir drängte sich nach der Bundestagsentscheidung ein anderer Gedanke auf. Das Zitieren von Zeitungsnachrichten ist, soweit ich das verstanden habe, mit dem Leistungsschutzrecht verboten worden. Längere Texte dürfen also nicht mehr in Blogs gepostet werden. Statt dessen hat man die Erlaubnis auf Snippet-Größe reduziert. Was auch immer das heißen mag, kann oder will selbst der Bundestag nicht beantworten.

Aber wie könnte es bei gleichbleibender Entwicklung denn in zehn Jahren aussehen?

Vielleicht so…

1. März 2023: Ich komme morgens aus dem Bad und schaue fast schon automatisch auf meine Smartclock um die ersten E-Mails zu überfliegen. Es sind alles private Nachrichten. Newsletter habe ich schon Ewigkeiten nicht mehr erhalten. Seitdem die Verlage für jeden verschickten Newsletter eine Textgebühr von den Versendern nehmen, gibt es kaum noch eigenständige Newsdienste. Und die Newsletter von den Verlagen selbst? Nachdem das E-Mail-Aufkommen aus dieser Richtung ins Unermessliche gestiegen war, habe ich mit ein paar Regeln in meinem Thunderbird eingestellt, dass diese Mails direkt gelöscht werden.

Ich ballanciere die Schüssel mit den Corn Flakes zur Haustür und klaube einen Stapel Zeitungen vor dem Briefkasten auf, nur um sie umgehend in der grünen Tonne zu versenken. Stern, Bild, Focus, Die Welt und zahlreiche andere Publikationen landen täglich bis wöchentlich unbestellt als dicker Stapel vor meiner Tür. Insbesondere der Samstag ist schlimm. Entsprechend groß und leider auch teuer ist meine Papiertonne. Ich sehe die Stapel nicht einmal mehr durch. Selbst der monatlich zu entrichtende PSB (Printmedien-Solidarbeitrag) kann mich nicht dazu bringen, da ich auf objektive und unabhängige Berichterstattung Wert lege. Doch die haben die großen Verlage 2013 bei Einführung der ersten Fassung des Leistungsschutzrechtes ihren eigenen finanziellen Interessen geopfert. Und die damalige Regierung aus CDU und FDP hat willig mitgespielt. Inzwischen gibt es bereits die fünfte Fassung, die festschreibt, dass die Verlage für die Grundversorgung der Bevölkerung verantwortlich sind und hierfür entsprechend entlohnt werden müssen. Bei genauem Hinschauen wird aber aus “die Verlage” nur ein einziger – Axel Springer. Im Zuge der Pleitewelle, die 2014 unter den Zeitungen losbrach, stürzte sich das Springer-Imperium auf die kleinen, noch einigermaßen lebensfähigen Verlage und versprach der Politik vollmundig, die Arbeitsplätze erhalten zu wollen. Was nicht öffentlich wurde, waren die Bedingungen, die an diese vermeintliche Rettungsaktion geknüpft waren. Und da gerade wieder Wahlen waren, entstand der PSB.

Newspaper

Wie jeden Morgen nach dem Frühstück setze ich mich an meinen PC und versuche mir einen Überblick über das Neueste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu verschaffen. Das Tor-Netzwerk ist mal wieder ziemlich langsam. Leider ist dieser Zustand in den letzten Jahren nicht besser geworden, da die Infrastruktur den explodierenden Nutzerzahlen nicht folgen kann. Und das, obwohl es gesetzlich verboten, ja sogar eine Straftat ist (nachdem es zunächst lediglich eine Ordnungswidrigkeit war). Aber was macht man nicht alles, um einigermaßen auf dem Laufenden zu bleiben. Schließlich finde ich eine einigermaßen schnelle Seite bei einer norwegischen Agentur, die ihre Texte auch in Englisch anbietet. Solche Webseiten führen regelmäßig zu diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und Norwegen, aber die Skandinavier pochen vehement auf ihre Eigenständigkeit. Trotz jahrelanger Beitrittsverhandlungen haben die Bürger dieses Landes in mehreren Referenden entschieden, kein EU-Mitglied zu werden. Die Glücklichen.

Mein Blog, den ich in letzter Zeit recht lustlos betreibe, ist wie immer nicht sonderlich gut besucht. Wie fast jeden Morgen überlege ich, ob ich die Kosten für diesen Luxus noch lange würde tragen können. Der letzte Blog hatte lediglich 290 Wörter. Das sind zwar nur 14,50 Euro Verlagsgebühr (5 Cent je Wort), bei vier bis fünf Blogs im Monat summieren sich die Kosten dennoch irgendwie. Wo sonst sollte man aber noch seine Meinung einigermaßen qualifiziert niederschreiben? Bei Facebook oder Twitter muss man genauso an die VG Wort zahlen und hat viel weniger Platz – und überhaupt…die sozialen Netzwerke sind spätestens seit Einführung der Verlagsgebühr tot. Zunächst haben sie versucht, sich mit den Verlagen zu arrangieren, was die Benutzer in Scharen davon getrieben hat. Jetzt fristen Facebook und Co. zumindest in Deutschland nur noch ein Schattendasein. In den USA ist das völlig anders. Ob wirklich besser, sei mal dahin gestellt. Lediglich Google, der ursprüngliche Grund für die Einführung des Leistungsschutzrechtes, profitiert nach wie vor nicht schlecht. Der Deal, der Ende 2015 ausgehandelt wurde, war für alle Beteiligten, Regierung, Verlage und Google, ein lukratives Geschäft. Nur der Internetnutzer guckte in die Röhre.

Ich nehme mir mal wieder fest vor, den Blog endgültig dranzugeben, wenn die nächste Abmahnung kommt. Das habe ich auch schon vor fünf Abmahnungen gesagt, aber dieses mal mache ich es bestimmt. Wenn ich es mir recht überlege, sollte ich das Schreiben besser heute als morgen aufgeben. Seit die Verlage für jedes einzelne Wort im Internet kassieren und Abmahnungen regelrecht mit einkalkuliert werden müssen, ist das Bloggen zu einem teuren Vergnügen geworden. Und angefangen hat alles mal mit der Beschränkung auf ein paar Snippets…

Deine Nachricht

Cookie-Information
When you visit our website, it may store information through your browser from specific services, usually in form of cookies. Here you can change your privacy preferences. Please note that blocking some types of cookies may impact your experience on our website and the services we offer.