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Die Sprachlosigkeit einer Labertasche
Wenn Dummheit auf Flüchtlingsleid trifft macht mich das sprachlos

Jeder steht täglich vor der Herausforderung, mit anderen Menschen umgehen, kommunizieren zu müssen. Da ist die Familie mit all ihren Macken und Eigenarten, da sind die Kollegen und da sind die vielen anderen, denen man so im Laufe eines Tages begegnet. Und ständig muss man in irgendeiner Form reagieren, auf freundliche Worte, Höflichkeiten, in ernsten Diskussionen, auf Small Talk und zurzeit auch immer öfter auf mehr oder weniger deutlich geäußerte Meinungen. Dabei stelle ich fest, dass es mir zunehmend schwer fällt, auf diese Äußerungen adäquat zu antworten.

Mit den meisten zwischenmenschlichen Kommunikationsformen komme ich sehr gut klar. Bei einigen Diskussionen fehlen mir aber oft schlicht die Worte. Als sehr emotionaler Mensch versuche ich mich stets in die Situation anderer zu versetzen. Ich gebe mir Mühe, Beweggründe nachzuvollziehen und Verständnis auch für andere Ansichten als meine eigene aufzubringen. In der Flüchtlingsdiskussion scheitere ich bei diesen Bemühungen aber kläglich. Da stoße ich an Grenzen, die mir meine gute Erziehung auferlegt. Mir gelingt es weder, Verständnis aufzubringen, noch dem gesagten mehr entgegenzuhalten, als ein fassungsloses Kopfschütteln.

“Ich habe nichts gegen Ausländer, aber…”‘
“Ich bin absolut kein Rassist, aber…”,
“Ich bin kein Rechter, aber…”

Schon bei dem kleinen Verbindungswörtchen “aber” macht es in meinem Kopf “Klack!”. Das Tor geht zu und in großen Lettern erscheint darauf “DOCH!”. Dummerweise ist dieses Tor aber in beide Richtungen undurchlässig. Ich höre den Rest des Satzes nicht mehr, finde aber auch keine Worte, darauf noch etwas zu erwidern – und das, wo ich sonst jedem, der nicht bei drei auf dem Baum ist, ein ganzes Buch ans Knie quatsche.

Warum ist das so? Warum finde ich keine Worte, diesen “besorgten Bürgern” meine Meinung zu geigen?

Ich glaube, es gibt mehrere Gründe:

Rücksicht, und zwar Rücksicht auf mich selbst. Denn immer wieder kommt das Pegida-Geschwafel auch direkt aus meinem nächsten Umfeld, und ich würde nur liebend gerne mit einer vollen Breitseite Contra geben. Doch dann flüstert der kleinen Mann in meinem Ohr: “Heh, mit dem/der musst Du noch arbeiten, der/die wohnt gleich nebenan, der/die sind doch mit Dir verwandt.” OK, denke ich, Konflikte heraufbeschwören und sich selbst das Leben auf Dauer zur Hölle zu machen – auf der Arbeit, im Dorf, bei Familienfeiern – das muss ich mir nun wirklich nicht geben. Also schüttel ich nur fassungslos den Kopf, drehe mich um und gehe weg. Keineswegs befriedigend, aber langfristig vermutlich klug gedacht.

Unsicherheit angesichts der eigenen Uninformiertheit und der oft hahnebüchenen Argumente der Rechtslastigen. Ich gehöre eigentlich zur eher überinformierten Gruppe in der Gesellschaft. Über die sozialen Netzwerke sowie diverse Zeitschriften und Portale aller Couleur versuche ich die verschiedensten Sichtweisen auf ein Thema zu bekommen, um mir daraus dann eine Meinung zu bilden. Dabei bin auch ich nicht vor Propaganda sicher, denn wer kann tatsächlich sagen, welche Nachrichten wirklich objektiv sind und welche nicht. Gerade deshalb macht sich bei mir immer eine störende Unsicherheit breit, wenn ein Pegida-Clon wieder irgendwelche Statistiken zitiert, Zahlen nennt und unglaublich informiert tut. Dabei ist diese Person lediglich selbst der rechten Propaganda auf den Leim gegangen – meist weil es der eigenen zementierten Meinung gerade gefällt. Doch ich würde gerne mit wirklich objektiven Zahlen kontern, die Pseudo-Argumente in Grund und Boden rechnen. Was mir aber fehlt ist der Glaube an die Objektivität der Medien. Ich bin nicht sicher, ob die Zahlen, die Statistiken, die ich so gelesen habe, tatsächlich stimmen. Deshalb sage ich lieber nichts, schüttel erneut fassungslos den Kopf und denke “Was für einen Quatsch der/die erzählt.”.

Zaun

Resignation ist das stärkste Gefühl, das mich derzeit beherrscht. Mag sein, dass ich mich etwas zu sehr in sozialen Netzwerken und Foren herumtreibe, doch was ich dort beobachte, kann letztendlich nur zu Resignation führen. Die braune Suppe mit ihren willigen stillen Genießern (denjenigen, die sich nicht trauen, selbst mitzupöbeln) ist schon dermaßen versalzen, dass man den Geschmack mit nichts wieder herstellen kann. Die ungenießbare Pampe ist bereits derart fest, die Nazi-Meinungen und Hetzer-Ansichten über die Maßen zementiert, dass selbst hundert Liter Wasser in Form von Argumenten oder gar Apellen an die Menschlichtkeit, daraus kein genießbares Essen mehr machen können. Jeder positive Kommentar wird zerfetzt und mit ekligem Schleim überzogen, gespeist vom CSU-Hellbraun über BILD-Zeitung-Blutrot und Pegida-“Das wird man doch wohl noch sagen dürfen” bis hin zu NPD-Dunkelbraun. Also logge ich mich wieder aus, schüttel fassungslos den Kopf und denke “Was für ein fieses Pack!”.

Am Ende bleibt die Untätigkeit! Bequem ist sie nicht, denn es brodelt weiter in mir. Wilde Phantasien geistern in meinem Kopf umher. Phantasien, in denen ich mich mit einem Baseballschläger vor einen dieser braunen bellenden Köter aufbaue und ernsthaft darüber nachdenke, ob ich ihm beim nächsten “Ausländer raus!” die Fresse poliere. Doch ich bin Pazifist, keineswegs religös, denn Kirche kann mich auch mal, aber mit einer Erziehung, die Gewalt ablehnt und statt dessen beherrscht wird von Menschlichkeit, gesunden Menschenverstand und Empathie. Mit diesen Voraussetzungen gehöre ich mit Freuden zur Sorte der “Gutmenschen”. Das Schimpfwort nehme ich gerne an. Und doch ändert das nichts an meiner Sprachlosigkeit angesichts der unsäglichen Dummheit und Herzlosigkeit, die sich im Zuge der Flüchtlingskatastrophe derzeit ausbreitet.

Ich würde gerne aus der Lethargie herauskommen, Nächstenliebe (nicht die kirchliche) schreien, laut herausposaunen, dass diese Menschen vor etwas flüchten, das sich der fette deutsche Spießerarsch nicht einmal vorstellen kann und wenn, dann kennt er es nur aus seiner Berieselungsmaschine, vor der er allabendlich mit Fluppe und Bier hängt. Aber ich bin still – und schreibe mir hin und wieder von der Seele, was mich bewegt. Doch laut ist das auch nicht.

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