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Evan Hunter
Schock
Die Verwirrung macht es nicht leicht
An dieser Stelle sollte eigentlich das Cover des beschriebenen Buches abgebildet werden. Leider lässt dies unser deutsches Urheberrecht nicht zu. Daher müsst Ihr leider mit einem Symbolbild Vorlieb nehmen.

Es gibt Situationen, über die irgendwie jeder schon einmal nachgedacht hat, ohne sie selbst je erlebt zu haben. Die Was-wäre-wenn-Szenarien spielen sich immer wieder mal im Kopf ab und führen manchmal zu recht interessanten Erkenntnissen. Ein Klassiker ist da vermutlich der plötzliche Lottogewinn oder die unerwartete Millionenerbschaft vom unbekannten Onkel aus Südamerika. Aber auch Bedrohliches kommt einem dabei eher ungewollt gelegentlich in den Sinn, und um genau ein solches Ereignis – ebenfalls eine Art Klassiker – geht es in dem Buch „Schock“ von Evan Hunter. Was wäre, wenn man eines Morgens aufwacht und nicht mehr weiß, wer man ist?

Der Autor

Evan Hunter wurde 1926 als Salvatore Lombino in New York geboren. Als Schriftsteller und Drehbuchautor veröffentlichte er ab 1952 unter verschiedenen Pseudonymen Kriminalromane und schrieb Drehbücher (z.B. für Hitchcocks „Die Vögel“). Der mit Starbesetzung verfilmte Roman „Saat der Gewalt“ war 1955 sein erster Bestseller, dem er unter dem Namen Ed McBain noch einige weitere folgen ließ. Umfangreiche Informationen finden sich auch bei Wikipedia (DE/EN) und auf der offiziellen Homepage des Autors.

Die Handlung, ein Verwirrspiel

Das Buch „Schock“ entstand 1964 und spielt in New York. An einem frühen Samstagmorgen wacht ein Mann auf einer Bank in Central Park auf und stellt fest, dass er keine Ahnung hat, wer er ist. Er trägt einen gut geschnittenen feinen Anzug, in dem er lediglich ein Adressbuch mit einer einzigen Telefonnummer findet. Damit beginnt eine Odyssee, bei der er auf vielen Umwegen und in zahlreichen bizarren Situationen dem Geheimnis seiner Amnesie näher kommt. Gleichzeitig bringt er aber mit der Zeit auch ein Puzzleteil nach dem anderen über sein Leben zusammen und nicht alles, was er erfährt gefällt ihm.

Als Leser begleitet man den Mann, der sich spontan aus zufällig auf der Straße aufgeschnappten Worten den Namen Sam Buddwing gibt, auf seiner mühsamen Selbstfindung. Als Beobachter verfolgt man in einem ständigen Wechsel aus Verständnis und Verwunderung die Handlungen des Protagonisten. Immer wieder fragt man sich, warum er nicht dieses oder jenes tut, alleine aus der Überzeugung heraus, dass man es in derselben Situation vermutlich genau so getan hätte. An vielen Stellen wirken die Reaktionen und Gedanken von Sam Buddwing völlig abwegig und führen häufig zu bizarren Szenen, die beim Leser ein verwirrtes Kopfschütteln erzeugen. Eine Verwirrung, die im Laufe der Geschichte ständig zunimmt, denn je mehr sich Buddwing der vermeintlichen Auflösung nähert, desto öfter verfällt er in Tagträume und versinkt in Ereignissen der Vergangenheit. Bald ist man als außenstehender Beobachter restlos verunsichert, was sich wirklich real abspielt und was lediglich in der Gedankenwelt des Protagonisten geschieht. Das Ende lässt einen in der Konsequenz daher auch einigermaßen ratlos zurück, besonders weil es auf die vielen Fragen, die man sich im Laufe der Geschichte stellt, keine offensichtlichen und klaren Antworten gibt – weder für den Leser noch für Sam Buddwing.

Krimi
…und dennoch

Doch trotz eines permanenten Zustands der Ratlosigkeit und trotz des auf den ersten Blick unbefriedigenden Endes hat mich das Buch in gewisser Weise gefesselt. Eigentlich passierte in den zwei Tagen, die der Handlungsstrang umschließt, nicht sonderlich viel. Und dennoch habe ich instinktiv versucht, aus den einzelnen Situationen und Begebenheiten, in die sich der Hauptakteur begibt, die Lösung für sein Dilemma herauszulesen, die Puzzleteile an seiner statt zusammenzusetzen. Regelmäßig wurden dann aber die sicher geglaubten Bilder durch Buddwing selbst wieder zerstört, wenn ich entdecke, dass ich aufs Neue einer seiner Phantasien aufgesessen bin. Diese vermischen sich am Ende so sehr mit der Realität, dass das Finale, obwohl unbefriedigend, eigentlich nur konsequent ist.

Es ist klar, dass man in die Erlebnisse von Sam Buddwing eine Menge Gesellschaftskritisches und Philosophisches hineininterpretieren kann. Auch ertappte ich wiederholt dabei, vermeintliche Parallelen zu meinem eigenen Leben zu entdecken. Am Ende ist es aber doch in erster Linie die vordergründige Geschichte, die sich dem Leser präsentiert, und die bietet letztendlich keine plakativen Lösungen an. So lässt mich das Buch von Evan Hunter dann auch einigermaßen ratlos zurück. Es wird mir sicherlich in Erinnerung bleiben, da es auf eine unbestimmbare Weise interessant und lesenswert ist. Sei es das Thema oder die Tatsache, dass ich während der Lektüre einer befriedigenden Aufklärung für Sam Buddwing entgegengefiebert habe, das Buch war in dieser Hinsicht durchaus fesselnd. Gleichzeitig fand ich es aber recht anstrengend, dem Plot aufmerksam zu folgen und den eigentlichen Handlungsstrang nicht aus den Augen zu verlieren – was mir gegen Ende immer schwerer fiel. Und daher kann ich den Roman auch nur solchen Lesern empfehlen, die mit „kopflastiger“ Literatur etwas anzufangen wissen. Wer Action, eine geradlinige Handlung, klar auszumachende Identifikationspersonen und nachvollziehbare Situationen bevorzugt, sollte sich „Schock“ besser nicht antun. Der Schreibstil ist durchaus verständlich und leicht zu lesen, doch trägt dies nur unwesentlich zum Verständnis des Inhalts bei.

Action
1/5
Handlung
3/5
Spannung
2/5
Lesespaß
3/5
Mein Urteil
3/5

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